Prof. Dr. Ilka Weikusat

7. Juli 2022, 17 Uhr:

Warum kann das Eis Geschichten erzählen?

Digitale Kinder-Uni Vorlesung online im Live-Stream

Copyright: Michael Kienzler

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Wenn es so etwas wie das Ende der Welt gibt, dann ist Ilka Weikusat schon mehrfach dort gewesen. Eigentlich hat die Erde wenn, dann zwei Enden, eins oben und eins unten: Oben ist die Arktis und unten die Antarktis. Fahrten ins ewige Eis, zum Süd- und zum Nordpol, sind für eine Wissenschaftlerin wie sie Dienstreisen: Ilka Weikusat ist Glaziologin, sie erforscht das Eis, das kilometerdick an den Polen lagert.

Eine Eisforscherin muss also auch Abenteurerin sein, sie geht auf echte Expeditionen in aufregende und noch immer fast unerforschte Gegenden der Welt, wo es bis zu minus 60 Grad kalt sein kann und man nicht mit einer Wollmütze, einem selbstgestrickten Schal und warmen Socken auskommt. Zwischendurch – und oft länger als ihr lieb ist – sitzt die Professorin aber auch am Schreibtisch, studiert Aufsätze, schreibt Gutachten oder Anträge. Ihr Büro ist in Bremerhaven, ganz im Norden Deutschlands. Sie lehrt aber auch in Tübingen, das ist ziemlich im Süden. Doch die Fahrten zwischen diesen beiden Städten sind nichts im Vergleich zu den großen Reisen, zu denen sie immer wieder aufbricht.

Wie kam Ilka Weikusat zur Glaziologie? Weil sie den Schnee und den Winter besonders mochte? Eigentlich mochte sie vor allem die Berge, Vulkane und die Natur. Ilka Weikusat wuchs an einem der östlichsten Zipfel Deutschlands auf, in Zittau in der Oberlausitz. In den Norden zog es sie erst später. „Meine Reiseleidenschaft war einer der Auslöser, warum ich zu dem Fach kam.“ Die Sehnsucht nach fernen Ländern war bei ihr schon in der Kindheit groß. In ihrer Heimat gab es ein Völkerkunde-Museum, in dem man aufregende Mitbringsel von fernen Reisen, sogar aus Grönland, sehen konnte. All diese Dinge wären für die kleine Besucherin immer in weiter Ferne geblieben, wenn es in Deutschland nicht einen politischen Umschwung gegeben hätte. 1989 fiel die Mauer, die Ost und West voneinander trennte, und diese Mauer hatte den DDR-Bürgern im Osten den Weg in westliche Länder versperrt. Ilka Weikusat war zwölf Jahre alt, als ihr plötzlich die Welt offenstand.

Nach dem Abitur war für sie klar, sie wollte Geologie studieren. In diesem Fach beschäftigt man sich mit Steinen und mit dem Aufbau und der Entstehung der Erde. Wer Steine untersucht, ist viel draußen, und sie wollte unbedingt viel draußen und in der Natur sein – egal, ob Berge, Wüste oder Eiswüste. „Dagegen sind große Städte für mich nur selten spannend. Ich mag Eismassen lieber als Menschenmassen. Allerdings mag ich auch Menschen, nur eben nicht in Massen.“

Aber was hat Eis, also gefrorenes Wasser, mit Steinen zu tun? Sehr viel, denn Eis ist auch ein Gestein. „Eis ist das häufigste Mineral an der Erdoberfläche. Das häufigste in der Erdkruste ist Quarz.“

In die Wissenschaft vom Eis ist Ilka Weikusat auch ein wenig hineingerutscht. Klar war aber, dass sie sich mit der Klimaerwärmung und ihren alarmierenden Folgen beschäftigen wollte. 2003 konnte sie dann zum ersten Mal an einem europäischen Forschungsprojekt in der Antarktis teilnehmen. Drei Monate lebte sie zusammen mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Nationen und unterschiedlichen Fächern in einem kleinen Container und Zelt-Dorf im südlichsten Teil der Erde. Hotels oder Häuser gibt es dort keine. In der Arktis dagegen, am Eisschild in der Nähe des Nordpols, sind die Forschungsstationen in Flugreichweite zu grönländischen Siedlungen untergebracht.

Ilka Weikusat liebt das Leben in solcher Wildnis, und sie liebt den engen Austausch mit anderen Forscherinnen und Forschern. „Die Glaziologie ist ein sehr interdisziplinäres Fach. Da arbeiten außer Geologen, auch Physiker, Chemiker und Meteorologen, also Wetterkundler. Das kommt der Wissenschaft sehr zugute. Denn wenn alle in die gleiche Richtung oder im gleichen Schema denken, kommt man nicht weiter.“

Und was machen die Forscherinnen und Forscher im Eis? Sie bohren tief, kilometertief. Der Bohrkern, also die zutage geförderte Eissäule, wird in Stücke zerlegt, in Styroporkisten gepackt und im Labor in Deutschland oder in anderen Ländern untersucht. In Bremerhaven, wo ihr Institut für Polar- und Meeresforschung ist, nutzt die Forschung die großen Lagerhallen der Fischindustrie. Hier warten etwa 4000 exakt beschriftete Kisten mit Polareis darauf, analysiert zu werden.

Ilka Weikusat ist, wie man sich denken kann, nicht besonders kälteempfindlich. Aber nicht nur für ihre Polarexpeditionen braucht sie sehr warme Kleidung. Auch im Labor in Bremerhaven muss sie sich warm anziehen, viel wärmer als zu einem eisigen Winter-Spaziergang. „Die Temperatur im Labor liegt bei -20 Grad. Die Arbeit ist zwar anstrengend, aber einfach schön.“ Hier untersucht sie das Eis in seinem ursprünglichen, gefrorenen Zustand, andere Forscher untersuchen das geschmolzene Wasser. Und warum und was man daraus „lesen“ kann, das erfahrt ihr in ihrer Vorlesung.

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