Prof. Dr. Madelaine Böhme

Copyright: Christoph Jäckle

27.01.2022, 17:00 Uhr

Warum ging Udo aufrecht?

Wie Steine von vor Millionen vor Jahren, Geheimnisse von heute lüften…

Wenn Großeltern von früher erzählen, dann sprechen sie meist von einem Früher, das 50 oder 60 Jahre her ist. Wenn Madelaine Böhme von „Früher“ spricht, ist das eine Zeit, die viel weiter zurückliegt. Die Geowissenschaftlerin und Paläontologin erforscht eine Zeit, die schon seit Millionen von Jahren vergangen ist. Wie das Leben damals aussah, steht für sie nicht etwa in den Sternen, sondern in den Steinen.

In den Steinen fand sie auch das, was die Geschichte des aufrechten Ganges neu schreibt. Bisher dachten Forscherinnen und Forscher, der aufrechte Gang sei rund 6 Millionen Jahre alt. Die Funde, die Madelaine Böhme mit ihrem Team bei Ausgrabungen im Allgäu machte, weisen jedoch auf 12 Millionen Jahre hin. Warum man das an Knochen, die die Forschenden in zehn Meter Tiefe fanden, ablesen kann, das erklärt die Professorin in ihrer Kinder-Uni- Vorlesung am 27. Januar 2022.

Madelaine Böhme wuchs bei ihrem alleinerziehenden Vater auf. Ihre bulgarische Mutter war bei der Geburt verstorben, und so zog der Vater wieder von Bulgarien nach Dresden zurück. Der Vater war Lehrer, viel lieber wäre er aber Wissenschaftler geworden. Die Liebe zu Naturwissenschaft und Mathematik gab er seiner Tochter mit. In der Schule fühlte sie sich bald unterfordert: „Lernen musste ich nie, ich merkte mir, was im Unterricht gesagt wurde, lernte so aber auch früh, mich kreativ selber zu beschäftigen.“

Wenn Madelaine Böhme sich ihr Studium hätte aussuchen können, dann wäre sie vermutlich in einer Vergangenheit gelandet, aus der es menschliche Zeugnisse und Erzeugnisse gibt: Sie hätte Archäologie studiert. In ihrer Heimat, der damaligen DDR, orientierte sich das Studienangebot aber streng am Bedarf der Planwirtschaft. Für Archäologen gab es in der DDR wenig Verwendung, für Geologen jedoch schon. Denn die Geologie war nützlich für den Bergbau. Madelaine Böhme entschied sich für Geologie, bewarb sich und ergatterte einen der ebenfalls raren Studienplätze. Denn ein Professor hatte zu ihr gesagt: „Du interessiert dich für Fossilien, dann bist du hier richtig!“

Wie richtig, darauf wiesen schon die Schätze hin, die sie seit dem 10. Lebensjahr hütete. Sie hatte zwei steinerne Abdrücke von Seeigeln geschenkt bekommen. Die rätselhaften Fossilien spornten ihre Phantasie und ihren Wissensdrang an: „Ich hatte erst gedacht,es handelte sich um Seesterne. Das war für mich unvorstellbar, und ich wollte es unbedingt verstehen.“

Während andere sich zur Jugendweihe – das war in der DDR ein Ersatz für Konfirmation – Armbanduhren, Spiele oder Geld wünschten, hatte die 14- Jährige nur einen Wunsch: ein teures Fachbuch über Paläozoologie, das sie noch heute besitzt. Es kostete damals so viel wie eine Monatsmiete. Aber sie bekam es, schlug es auf und war zunächst enttäuscht: „Ich verstand kein einziges Wort.“

Doch das blieb nicht lange so. Nach und nach erschloss sie sich die geo-wissenschaftliche Sprache. Und Madelaine Böhme sollte sich noch viele Sprachen erschließen: Außer Deutsch und Bulgarisch spricht oder versteht sie noch sechs andere Sprachen.

Wie sich der aufrecht gehende Menschenaffe verständigte, dessen Knochen sie fand, das weiß sie natürlich nicht. Einen Namen hatte er auch nicht – und Udo schon gar nicht. Diesen Namen verpassten ihm die Forscherinnen und Forscher, denn sie fanden die wichtigsten Knochen an dem Tag, als der Liedermacher Udo Lindenberg seinen 70. Geburtstag feierte. Im Radio wurden dauernd seine Songs gespielt, und so taufte man die Knochen nach diesem prominenten und sehr aufrechten Udo.

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