Prof. Dr. Ulrike von Luxburg

6. Oktober 2022, 17 Uhr:

Warum ist Künstliche Intelligenz nicht immer gerecht?

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Als Kind hatte Ulrike von Luxburg mit Computern und Mathe  nicht viel im Sinn. Die Tübinger Informatik-Professorin  ist im Jahr 1975 geboren und in Königsbrunn aufgewachsen, einer kleinen Stadt bei Augsburg. Als Kind spielte sie  lieber draußen in der Natur als Rechenaufgaben zu lösen. „Ich dachte, Mathe kann ich sowieso nicht, das ist alles Mist.“ Sie war auch keine von den Nerds, die ständig an ihrem Rechner herumschrauben oder Computerspiele spielen müssen. „Ich hatte zuhause gar keinen Computer.“ Ihre Eltern waren Psycholog*innen und interessierten sich nicht besonders für Mathematik. „Aber sie hatten auch nichts dagegen, als ich mich dafür interessierte.“

Das passierte, als Luxburg in der neunten Klasse war. „Da gab es einen Mathelehrer, der hat den Stoff einfach spannend präsentiert.“ Der Lehrer traf den richtigen Ton, und der Unterricht machte plötzlich Spaß: „Ich glaube, das lag daran, dass der Lehrer das Fach selber liebte.“ So wurde Luxburg immer besser in Mathe und beschloss, das Fach zu studieren. Eine gute Entscheidung, auch wenn es im Studium viel mehr Herausforderungen gab als in der Schule. „Wenn man Mathe an der Uni studiert, kommt man schon an seine Grenzen.“

Das Problem von Mathematiker*innenn ist, dass sie über ihren Beruf nur mit sehr wenigen Leuten sprechen können: Wer kennt sich schon aus mit Shimura-Varietäten oder der Toeplitz-Vermutung? „Ich wollte aber  ein paar mehr  Menschen erreichen“, sagt Luxburg, „und auch etwas angewandter forschen.“ So konzentrierte sie sich zunehmend auf ihr Nebenfach, die Informatik. Das  wurde in Konstanz, ihrem ersten Studienort, gerade aufgebaut. „Da hatten wir traumhafte Bedingungen, es gab fast für jeden Studierenden einen Betreuer.“

Informatiker*innen entwickeln Programme für Computer. Das heißt: Sie schreiben in einer bestimmten Programmiersprache Befehle, die einem Rechner sagen, was er tun soll, also zum Beispiel eine komplizierte Rechenaufgabe lösen oder ein Raumschiff auf einem Bildschirm von links nach rechts fliegen lassen. Interessant wird es, wenn der Rechner nicht das tut, was die Programmierer*innen wollen. „Da muss man dann schauen, wo ist der Fehler? Fehlt irgendwo ein Strichpunkt? Oder eine „0“? Und wenn man alle Fehler gefunden hat und das Programm tut, was es soll, dann ist das ein richtig cooles Gefühl.“ Für Luxburg ist das Spannende an der Informatik genau dieses Knobeln. „Jemand, der oder die gern Rätsel löst, ist in der Informatik richtig.“ Manche Rätsel sind so spannend, dass man  sehr lange darüber nachdenken muss. „Es kommt  vor, dass man ein, zwei Jahre knobelt, bis man eine Lösung gefunden hat.“ 

Gut an der Informatik ist auch, dass sie so vielseitig ist. Luxburg ist Sprecherin einer großen Gruppe von  Wissenschaftler*innen an der Tübinger Uni, dem „Exzellenzcluster  Maschinelles Lernen“.  Dort werden Programme entwickelt, mit deren Hilfe man aus den unglaublich vielen Daten, die Wissenschaftler aus anderen Fächern bei ihren Forschungen einsammeln, Erkenntnisse gewinnen kann. In der Archäologie gibt es zum Beispiel ein Projekt, das alle Ausgrabungen  auf der Erde erfassen will. „Da sitzen Leute, die geben jeden einzelnen Fund, jeden Faustkeil, der jemals gefunden wurde, jeden Knochen, jeden Pollenrest in eine Datenbank ein.“  Es ist eine gigantisch große Datenbank, die kein Mensch komplett durchsehen kann. Die Wissenschaftler*innen arbeiten deshalb mit Informatikern aus dem Exzellenz-Cluster zusammen, die sich mit Künstlicher Intelligenz auskennen. Mit intelligenten Programmen kann man diese unzähligen Daten nämlich verarbeiten und Schlüsse daraus ziehen. Also zum Beispiel sagen, warum die Menschen in der Urzeit ihre Heimat verlassen haben und sich auf lange Wanderungen begaben. Sind sie aufgebrochen, weil die Lebensbedingungen in ihrer alten Heimat so schlecht wurden? Oder wollten sie in der Ferne neues Land erschließen? „Dafür kann man Informationen über die Pflanzen, die damals wuchsen, und das Wetter, das damals herrschte, in Verbindung bringen mit den Funden in der Datenbank und dem, was man über die Ernährung der Urmenschen weiß, über ihre Kleidung, ihre Gesundheit  oder ihre Werkzeuge.“

Mit intelligenten Programmen kann man also unglaublich viele Dinge machen. Die Programme können feststellen, ob jemand ernsthaft erkrankt ist, sie können ein selbstfahrendes Auto steuern oder vorhersagen, ob jemand seinen Kredit nicht zurückzahlen wird. Sie können das, weil sie blitzschnell sehr viele Daten auswerten, viel mehr als Menschen es können. Trotzdem kann es sein, dass Computer zu Schlüssen kommen, die man nicht akzeptieren kann. Schlüsse, die gefährlich sind. Informatiker*innen wie Ulrike von Luxburg fragen sich deshalb auch, ob Computer immer gerecht sind.

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